Studie: Antiblockiersysteme können ein Viertel aller Motorradunfälle verhindern

Ein Neuwagen ohne Antiblockiersystem (ABS) oder ohne Elektronisches Stabilitäts-Programm (ESP)? Das wäre für die allermeisten Autofahrer wohl unvorstellbar. Anders jedoch das Bild, wenn es um Motorräder oder Roller geht: Deren Fahrer vertrauen oft alleine ihren Fahrkünsten, ohne unterstützende Elektronik. Dabei könnte ein Motorrad-ABS 26 Prozent aller Bikerunfälle mit Personenschaden in Deutschland verhindern, hat eine Bosch-Untersuchung auf Basis der deutschen Unfalldatenbank GIDAS ergeben. Bei weiteren 31 Prozent der Unfälle mit Personenschaden kann das ABS die Aufprallgeschwindigkeit und somit die Unfallschwere reduzieren. Aus gutem Grund wird daher das Motorrad-ABS ab 2016 europaweit in zwei Schritten zur Pflicht – wer bereits heute auf Nummer sicher fahren möchte, sollte beim Kauf eines neuen Bikes auf das Sicherheitsextra Wert legen.

Gefahren beim plötzlichen Bremsen

Die Auswertungen der Unfallforscher sprechen eine klare Sprache: Während die Zahl der Verkehrstoten insgesamt seit Jahren deutlich rückläufig ist, sind Motorradfahrer fast unverändert oft von schweren Unfällen betroffen. Jeder sechste Verkehrstote in Europa war laut einer Erhebung des ADAC auf dem Motorrad unterwegs. In Deutschland liegt der Anteil der im Straßenverkehr getöteten Motorradfahrer sogar bei 20 Prozent. Plötzliche Ausweichmanöver oder eine Vollbremsung haben oft verheerende Folgen. Auch schwierige Fahrbahnbedingungen, etwa bei Nässe, können zu gefährlichen Situationen führen. In diesen Fällen ein Motorrad abrupt und sicher zu stoppen, ist nicht immer einfach.

Blockierte Räder und Stürze verhindern

Besonders bei starkem Bremsen oder bei rutschiger Fahrbahn droht durch blockierte Räder fast unweigerlich ein Sturz. „Das ABS hingegen verhindert das Blockieren der Räder“, fasst Gerhard Steiger, Vorsitzender des Bosch-Geschäftsbereichs Chassis Systems Control, den Nutzen zusammen. Damit können sowohl Stürze vermieden als auch der Bremsweg deutlich verkürzt werden. Die ABS-Pflicht für Motorräder kann laut einer Nutzenstudie der Europäischen Kommission bis 2020 mehr als 5.000 Menschenleben retten. Ein Gegenargument vieler Biker, die Systeme würden mit hohem Platzbedarf und ihrem Gewicht die Fahrdynamik beeinträchtigen, trifft heute längst nicht mehr zu. So ist zum Beispiel die neue ABS-Generation 9 von Bosch lediglich 0,5 Liter groß und 700 Gramm schwer – und damit wesentlich kleiner und leichter als bisherige Systeme, die von Pkw-Lösungen abgeleitet wurden. „Wer sich heute für eine neue Maschine interessiert, sollte daher auf die Ausstattung mit ABS Wert legen – der eigenen Sicherheit wegen, aber auch unter Aspekten eines späteren Wiederverkaufs“, sagt Gerhard Steiger weiter.

Sicher in jeder Fahrsituation

Noch mehr Sicherheit im Sattel gibt die neue Motorrad-Stabilitätskontrolle (MSC): Sie unterstützt den Biker in allen Fahrsituationen, beim Bremsen und Beschleunigen, bei der Geradeausfahrt ebenso wie in Kurven. Dieses neue System von Bosch ist seit Ende 2013 in den ersten Serienmotorrädern verfügbar. Es basiert auf einem leistungsfähigen ABS, das um einen Schräglagensensor sowie ausgeklügelte Software ergänzt wurde.

Eine Vielzahl weiterer Sicherheitsfunktionen ist damit möglich. Bei einem starken Bremsen in Kurven beispielsweise verringert MSC das Motorrad-Aufstellmoment. Dieses ungewollte Aufrichten der Maschine aus der Schräglage führt zu einem größeren Kurvenradius und dadurch oftmals zum Verlassen der eigenen Fahrspur. Ein weiterer Vorteil der Stabilitätskontrolle: MSC reduziert auch die Gefahr von Kurvenunfällen, bei denen die Räder des Motorrads nach außen wegrutschen. Diese sogenannten Lowsider passieren, wenn bei Kurvenfahrt zu stark gebremst wird und die Räder nicht mehr genügend Seitenführung aufbauen können. „Ein MSC kann wie das normale ABS die fahrphysikalischen Grenzen nicht verschieben“, so Steiger. „Das System unterstützt den Fahrer aber im Grenzbereich und hilft, die fahrdynamischen Möglichkeiten deutlich sicherer und damit besser zu nutzen.“