Bericht Expertentelefon „Diabetes“ am 06.11.14

Diabetes- Folgen: So helfen Früherkennung und Therapien

Leserfragen Expertentelefon „Diabetes“ am 06.11.2014

1. Mein Arzt hat bei mir jetzt einen erhöhten Blutzuckerwert gemessen. Was bedeutet das für mich?

Prof. Dr. med. Hilmar Stracke, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen, Stellvertretender Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik III am Universitätsklinikum Gießen und Marburg: Wenn bei Ihnen ein erhöhter Blutzuckerwert gemessen wurde, muss das noch nicht zwangsläufig bedeuten, dass Sie an einem Diabetes leiden. Zusätzlich sollten Sie beim Arzt weitere Untersuchungen durchführen lassen, etwa einen so genannten Glukose-Belastungstest, und den Langzeitblutzuckerwert HbA1c bestimmen lassen. Bestätigt sich die Diabetes-Diagnose, sollte geprüft werden, ob der erhöhte Blutzucker möglicherweise bereits Folgeschäden an den Nerven, Blutgefäßen und Organen wie Augen und Nieren verursacht hat. Um eine Nervenschädigung – eine so genannte diabetische Neuropathie – auszuschließen, untersucht Ihr Arzt beispielsweise die Nervenfunktion in den Füßen. Die Nierenfunktion sollte regelmäßig anhand der Eiweißausscheidung im Urin überprüft und der Augenhintergrund beim Augenarzt untersucht werden. Wichtigste Maßnahme, um Folgeschäden entgegen zu wirken, ist eine möglichst gute Blutzuckereinstellung. Dazu tragen die vom Arzt verordneten Medikamente, aber auch die Ernährung und regelmäßige Bewegung bei. Was Sie bei der Ernährung beachten müssen, erfahren Sie bei der Diabetes-Beratung.

2. Meine Freundin hat eine diabetische Neuropathie und soll jetzt regelmäßig zur Fußpflege gehen. Warum?

Prof. Dr. med. Hilmar Stracke: Es ist auf jeden Fall empfehlenswert für Patienten mit diabetischer Neuropathie, regelmäßig zur medizinischen Fußpflege zu gehen. Denn diese diabetesbedingte Nervenschädigung macht sich meist zuerst in den Füßen bemerkbar und erhöht das Risiko für ein diabetisches Fußsyndrom, also für schlecht heilende Wunden und Ulzera (Geschwüre) am Fuß. Da bei einer diabetischen Neuropathie das Schmerzempfinden in den Füßen oftmals gestört ist, werden von den Patienten Verletzungen, die auch beim Nagelschneiden entstehen können, nicht wahrgenommen. Sie können sich unbemerkt entzünden. Ein medizinischer Fußpfleger, ein so genannter Podologe, kennt diese Risiken, behandelt die Füße fachgerecht und kann so zur Vermeidung eines diabetischen Fußsyndroms beitragen.

3. Ich beobachte bei meinem Mann, der Diabetiker ist, zunehmend raue Haut mit Rissen an den Füßen. Was sollen wir tun?

Prof. Dr. med. Hilmar Stracke: Die raue und rissige Haut kann schon ein Hinweis darauf sein, dass eine diabetische Neuropathie vorliegt. Denn die Nervenschädigung beeinträchtigt oftmals auch die Schweißdrüsensekretion an den Füßen und Händen. Dadurch wird die Haut trocken, rissig und anfällig für Wunden. Ihr Mann sollte von seinem Arzt die Nervenfunktion in den Füßen überprüfen lassen. Das sind einfache, schmerzlose Untersuchungen, bei denen zum Beispiel das Vibrations-, Berührungs- und Temperaturempfinden in den Füßen getestet wird. Außerdem sollte Ihr Mann seine Füße regelmäßig eincremen. Eine Fachkraft kann Sie beraten, welche Creme oder Salbe geeignet ist.

4. Seit Wochen habe ich eine Wunde am Fuß, die einfach nicht heilen will. Was kann ich dagegen tun?

Dr. Helga Zeller-Stefan, Fachärztin für Innere Medizin, Ernährungsmedizin und Diabetologin mit Diabetes-Praxis in Essen: Hier sollten Sie nicht weiter abwarten, sondern sofort zu Ihrem Hausarzt oder in die Fußambulanz eines Diabetologen gehen. Schnelles Handeln ist wichtig. Die Wunde könnte bereits tiefer sein als Sie beurteilen können. Sie könnte auch schon infiziert sein. Das kann schlimmstenfalls zu einer Blutvergiftung oder zur Amputation führen. Die Füße der Patienten mit Diabetes sind oft gefährdet. Zum einen, weil diabetesbedingte Nervenschäden die Schmerzwahrnehmung reduzieren können, wodurch Verletzungen und Wunden meist sehr spät bemerkt werden. Zum anderen ist häufig auch die Wundheilung durch mögliche Durchblutungsstörungen gestört.

5. Meine Frau ist Diabetikerin, aber sie kümmert sich überhaupt nicht um ihre Erkrankung. Das macht mir Sorgen. Kann das Folgen haben, auch wenn sie jetzt keine Beschwerden hat?

Dr. Helga Zeller-Stefan: Ja, das kann Folgen haben, wenn die Blutzuckerwerte dauerhaft erhöht sind. Ihre Frau sollte auf jeden Fall erstmal bei ihrem Arzt die Stoffwechseleinstellung überprüfen lassen, um feststellen zu können, welche Therapie notwendig ist. Denn der erhöhte Blutzucker verursacht zwar oftmals keine Beschwerden, auf Dauer können aber Nerven und Blutgefäße angegriffen werden, wodurch das Risiko für Nerven-, Augen- und Nierenschäden, sowie für Herzinfarkt und Schlaganfall steigt.

6. Immer wenn ich zur Ruhe komme, habe ich in beiden Füßen ein Kribbeln. Gibt es etwas, das ich dagegen einnehmen kann?

Dr. Helga Zeller-Stefan: Vermutlich ist die Ursache eine diabetische Neuropathie, also eine diabetesbedingte Nervenschädigung. Denn bei dieser häufigen Folgeerkrankung des Diabetes treten Missempfindungen wie zum Beispiel Kribbeln typischerweise in beiden Füßen und verstärkt in Ruhe auf. Sie sollten dies von Ihrem Arzt untersuchen lassen. Wenn dieser die Diagnose bestätigt, gibt es verschiedene Therapiemöglichkeiten: An erster Stelle steht immer eine möglichst gute Blutzuckereinstellung. Außerdem sollten Sie weitere nervenschädigende Einflüsse wie Alkohol und Nikotin weitestgehend meiden. Zusätzlich gibt es in Apotheken gut verträgliche Wirkstoffe, wie etwa das Benfotiamin, eine Vorstufe des Vitamins B1. Diese vitaminähnliche Substanz kann bei regelmäßiger Einnahme die Symptome der diabetischen Neuropathie, wie Kribbeln, Brennen, Taubheit oder Schmerzen in den Füßen lindern und der Nervenschädigung ursächlich entgegenwirken, indem sie die Bildung von nerven- und gefäßschädigenden Zucker-Abbauprodukten reduziert. Wenn die Beschwerden so stark werden, dass sie die Lebensqualität beeinträchtigen, kann Ihr Arzt außerdem schmerzlindernde Medikamente wie Antidepressiva oder Antiepileptika verschreiben. Da diese auch potenzielle Nebenwirkungen haben, muss der Arzt Nutzen und Risiken abwägen.

7. Bei meiner letzten Untersuchung hat der Arzt mit einer Stimmgabel festgestellt, dass meine Nervenfunktion in den Füßen gestört ist. Ich spüre davon aber nichts. Kann ich etwas dagegen tun, damit es nicht schlimmer wird?

Dr. Alin Stirban, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie vom Profil Institut für Stoffwechselforschung in Neuss: Zu empfehlen ist auf jeden Fall eine optimale Stoffwechseleinstellung und eventuell eine Gewichtsreduktion. Noxen – also schädigende Substanzen – wie Alkohol oder Nikotin sollten unbedingt vermieden werden. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt auch über diabetikergerechte Schuhe und Schuheinlagen, sowie über die Möglichkeit mit Präparaten wie z.B. Benfotiamin zu behandeln. Einige Patienten erleben dadurch eine Linderung ihrer Beschwerden. Nebenwirkungen gibt es kaum und wenn, dann bei hohen Dosen (Durchfall), sonst ist die Substanz sehr gut verträglich.

8. Mein Arzt sagt, ich soll weniger Alkohol trinken und das Rauchen aufgeben. Was hat das mit meinem Diabetes zu tun?

Dr. Alin Stirban: Die Leber spielt für den Stoffwechsel eine bedeutende Rolle. Da Alkohol die Leber schädigt, vermindern Sie dadurch die Möglichkeiten Ihres Körpers, den Stoffwechsel zu regulieren. Kritisch wird es insbesondere bei einer drohenden Unterzuckerung, hervorgerufen z.B. durch Insulin oder anderen Diabetesarzneimittel: Normalerweise setzt die Leber Glukose frei, wenn der Blutzucker sinkt und eine Unterzuckerung droht. Trinkt man Alkohol, ist diese Fähigkeit eingeschränkt und die Unterzuckerungsgefahr steigt deutlich an. Patienten mit Diabetes leiden deutlich häufiger an Gefäßerkrankungen als Nichtdiabetiker. Raucht ein Diabetiker zusätzlich, steigt sein Risiko für Gefäßerkrankungen nochmals deutlich an.