Bericht Expertentelefon „Wie die Füße warnen können“ am 10.09.2015

Es lohnt sich, auf die Füße zu „hören“: Denn sie können Warnsignale für eine gefährliche Folgeerkrankung des Diabetes, die Polyneuropathie, senden. An dieser Nervenschädigung erkrankt laut dem Deutschen Diabetes-Zentrum (DDZ) etwa jeder dritte Diabetiker. Nicht selten tritt sie sogar schon im Vorstadium des Diabetes auf. Für Betroffene bedeutet das oft heftige Beschwerden wie Schmerzen, Missempfindungen oder Funktionseinschränkungen. Aber die Polyneuropathie kann sogar zu Amputationen, Behinderungen und Invalidität führen. Wie sollte man seine Füße am besten überprüfen (lassen), um dies zu verhindern? Welche Symptome sind alarmierend? Wie können die Folgen der Polyneuropathie ausgebremst werden? So lauteten einige der vielen Fragen bei der großen Ratgeberaktion.

Am Telefon und im Chat saßen für Sie

Dr. Nadine Mattes, Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin DDG, Notfallmedizin, Klinikum Stuttgart, Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Geriatrie

Dr. Alin Stirban, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie, Leitender Arzt des Bereichs Diabetologie und Endokrinologie, Sana Klinikum Remscheid und Sana Arztpraxen Remscheid

Dr. Helga Zeller-Stefan, Fachärztin für Innere Medizin, Ernährungsmedizin und Diabetologin mit Diabetes-Praxis in Essen

Weshalb die Polyneuropathie so gefährlich ist, das erklärt Dr. Helga Zeller-Stefan: „Wenn die Sensibilität in den Füßen – bedingt durch eine Nervenschädigung – nachlässt, bleiben Verletzungen oft unbemerkt. So können sie sich schmerzlos bis zu tiefen Wunden entwickeln und den Fuß gefährden.“

Wichtige Symptome und häufige Gründe

Neben der nachlassenden Sensibilität, den Schmerzen oder Missempfindungen wie Kribbeln, Brennen oder Taubheit gehören auffallend trockene Haut oder Hornhautschwielen an den Füßen zu den Warnsignalen der Erkrankung – sie sollten beim Arzt abgeklärt werden. Denn „es ist sehr wichtig, rechtzeitig eine korrekte Diagnose zu stellen und gegebenenfalls eine entsprechende Therapie einzuleiten, um bleibende Nervenschäden zu vermeiden“, warnt Dr. Alin Stirban.

Als mögliche Ursachen für eine Polyneuropathie nennt der Diabetologe hohe Blutzuckerwerte, erhöhte Blutfettwerte, Vitaminmangel, mangelnde Bewegung, Alkoholkonsum oder das Rauchen. Um die weitere Entwicklung der Nervenschädigung auszubremsen, gelte es, den Stoffwechsel zu optimieren, sich ausgewogen zu ernähren, die Vitaminversorgung zu verbessern sowie das Rauchen und den Alkoholkonsum zu reduzieren. Bewegung und spezielle Übungen für Füße sowie Unterschenkel können ebenfalls hilfreich sein.

Am besten täglich kontrollieren

Dr. Helga Zeller-Stefans Rat: Sobald eine Nervenstörung oder eine Durchblutungsstörung bekannt ist, sollte man die Füße am besten täglich kontrollieren. Dr. Nadine Mattes betont, dass mindestens einmal jährlich eine medizinische Untersuchung hinzukommen muss. Ein Blick in die Schuhe ist nach ihren Worten ebenfalls wichtig: Darin können Steine oder andere Fremdkörper stecken, die die Füße verletzen.

Beschwerden wirksam lindern

Generell empfehlen die Experten, auf geeignetes Schuhwerk zu achten, das nicht drückt und dem Fuß Schutz bietet. Zusätzlich sei eine regelmäßige Fußpflege äußerst wichtig. Um neuropathiebedingte Beschwerden zu lindern, gibt es laut Dr. Stirban „viele Möglichkeiten, von rezeptfreien Substanzen wie Benfotiamin (eine Vorstufe des Vitamin B1) oder Alpha Liponsäure (ein Vitalstoff, auch Antioxidantium genannt) bis hin zu verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln oder so genannten Antidepressiva.“

Insbesondere im Anfangsstadium können gut verträgliche, vitaminähnliche Wirkstoffe wie das Benfotiamin zur Linderung von Schmerzen und Missempfindungen wie Kribbeln und Taubheit beitragen. Studien zeigen, dass dieses Provitamin die schädlichen Auswirkungen des erhöhten Blutzuckers reduziert und so Nerven und Blutgefäße schützt. Bei starken Beschwerden kann der Arzt außerdem verschreibungspflichtige Schmerzmittel verordnen. Hier muss er wegen potenzieller Nebenwirkungen Nutzen und Risiken abwägen und die Behandlung individuell auf jeden Patienten abstimmen.

Weitere Informationsquellen für Interessierte

Das Deutsche Diabetes-Zentrum informiert unter diabetes-heute.de ausführlich über Diabetes sowie unter dem Menüpunkt „Patientenfragen“ auch über das Thema Begleit- und Folgeerkrankungen.

Diabetes-Deutschland.de, wissenschaftlich betreut von Professor Dr. med. Werner A. Scherbaum, Direktor der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Rheumatologie des Universitätsklinikums Düsseldorf, gibt umfassende Auskünfte über das Leben mit Diabetes – auch über Folgeerkrankungen, etwa unter dem Menüpunkt „Erkennen & Behandeln“.

Unter dzd-ev.de informiert das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung über die Krankheit, die Forschung und aktuelle Nachrichten rund um den Diabetes.

Die Aufklärungsinitiative „Diabetes! Hören Sie auf Ihre Füße?“ zur diabetischen Neuropathie hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen mit Diabetes und Interessierte über das Thema Diabetes und eine seiner häufigsten Folgeerkrankungen, die Neuropathie, zu informieren und die Früherkennung und rechtzeitige Behandlung zu fördern. Mehr dazu unter ⦁ www.hoerensieaufihrefuesse.de.

www.experten-im-chat.de/diabetes – zeigt ein Chatprotokoll mit Fragen und Antworten zum Thema.

Expertentipps zum Thema „Gefährliche Folgen des Diabetes“ von Diabetologen

(Wenn beide Füße kribbeln oder schmerzen, dann kann das gefährlich werden: Dahinter steckt oftmals eine Folgeerkrankung des Diabetes – eine Nervenschädigung, auch Polyneuropathie genannt. Dr. Nadine Mattes, Diabetologin aus Stuttgart, weiß, warum davon besonders die Füße betroffen sind: „Die Nervenfasern, die in den Füßen enden, sind sehr lang. Daher bieten diese eine große „Angriffsfläche“, wodurch sie meist zuerst geschädigt werden.“

Darauf müssen Patienten achten

Menschen mit Diabetes müssen laut der Expertin „auf ihre Füße hören“, Neuropathie-Symptome wahrnehmen und mit ihrem Arzt besprechen. Dazu gehören zum Beispiel trockene Haut, Hornhautschwielen, Schmerzen, Brennen, ein Gefühl von Taubheit oder wie „auf Watte zu laufen“. Kribbeln die Füße oder ist ihr Empfinden für Wärme und Kälte vermindert, so sind dies weitere Warnzeichen. Dr. Mattes: „Patienten müssen zudem auf eine konsequente Fußpflege achten. Das bedeutet, die Füße je nach Bedarf einzucremen, Hornhaut entfernen zu lassen und gut passendes Schuhwerk zu tragen.“ Wunden sollten unbedingt dem Arzt gezeigt werden.

So kann die Neuropathie behandelt werden

Jeden möglichen Hinweis auf eine Neuropathie sollten Betroffene ernst nehmen. Denn wie Dr. Alin Stirban, Diabetologe aus Remscheid, betont, sind die rechtzeitige Diagnose und Therapie wichtig, um bleibende Nervenschäden zu vermeiden. Um die Polyneuropathie zu stoppen, müsse der Arzt zunächst die Ursachen klären. Dazu zählen laut Dr. Stirban hohe Blutzuckerwerte, erhöhte Blutfettwerte, Vitaminmangel, mangelnde Bewegung, Alkoholkonsum, oder das Rauchen.

Der erste Schritt der Therapie ist daher, diese Ursachen zu behandeln, indem man z.B. eine möglichst gute Blutzuckereinstellung anstrebt und weitere Risikofaktoren wie Rauchen und Alkoholkonsum meidet. Zusätzlich können rezeptfreie, vitaminähnliche Wirkstoffe wie das Benfotiamin hilfreich sein. Benfotiamin ist eine Vitamin-B1-Vorstufe, die der Körper besonders gut aufnimmt. Wie Studien zeigen, kann das Provitamin Neuropathie-Beschwerden wie Kribbeln, Brennen, Taubheit und Schmerzen in den Füßen lindern und gleichzeitig Nerven und Blutgefäße vor den schädlichen Auswirkungen des erhöhten Blutzuckers schützen. Starke Schmerzen können vom Arzt außerdem mit verschreibungspflichtigen Medikamenten behandelt werden. Diese Therapie müsse individuell für jeden Patienten ausgewählt werden, betonen die Experten.

Die meist gestellten Leserfragen am Expertentelefon „Wie uns die Füße warnen können“ am 10.09.2015

Mein Mann (65 Jahre alt und sehr kräftig) klagt seit einiger Zeit darüber, dass er nachts nicht schlafen kann, weil die Füße kribbeln oder schmerzen. Sollte er sie unserem Hausarzt zeigen?

Dr. Alin Stirban, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie vom Sana Klinikum Remscheid: Das sollte er dringend tun, da die Symptome auf eine Nervenerkrankung hindeuten können, die z.B. infolge eines Diabetes mellitus oder Vitaminmangels entstehen kann. Es ist auf jeden Fall wichtig, rechtzeitig eine korrekte Diagnose zu stellen und gegebenenfalls eine entsprechende Therapie einzuleiten, um bleibende Nervenschäden zu vermeiden.

Als Diabetiker habe ich empfindliche Füße, schnell entstehen Druckstellen, die ich nicht spüre. Wer hilft mir, die richtigen Schuhe zu finden, damit das nicht passiert?

Dr. Alin Stirban: Ihr Hausarzt oder der Diabetologe muss feststellen, ob bei Ihnen eine Nervenschädigung (eine sogenannte diabetische Polyneuropathie) vorliegt. Falls ja, bekommen Sie ein Rezept für Einlagen und eventuell ebenfalls für diabetesgerechte Schuhe. Ein orthopädischer Schumacher hilft Ihnen dann dabei, einen Antrag auf Kostenerstattung bei Ihrer Krankenkasse einzureichen. Falls Sie eine Genehmigung bekommen, übernimmt diese den größten Teil der Kosten. Sie brauchen lediglich eine Selbstbeteiligung zu zahlen.

Meine Freundin leidet sehr unter brennenden, schmerzenden Füßen. Ihr Blutzucker ist inzwischen gut eingestellt – gibt es nichts anderes, was ihr noch gegen die Beschwerden helfen kann?

Dr. Alin Stirban: Es gibt viele Möglichkeiten, die Beschwerden zu lindern, von rezeptfreien Substanzen wie Benfotiamin (eine Vorstufe des Vitamin B1) oder Alpha Liponsäure (ein Vitalstoff, auch Antioxidantium genannt) bis hin zu Schmerzmitteln oder so genannten Antidepressiva. Bitte sprechen Sie mit Ihrem Hausarzt oder Diabetologen darüber, welches Präparat für Ihre Freundin in Frage kommt.

Ich habe eine Polyneuropathie und möchte gern selbst etwas tun, damit sie nicht schlimmer wird. Gibt es spezielle Übungen, die ich machen kann? Oder Pflegetipps?

Dr. Alin Stirban: Um die Polyneuropathie zu stoppen, muss der Arzt zunächst die Ursachen klären. Die wichtigsten sind hohe Blutzuckerwerte, erhöhte Blutfettwerte, mangelnde Bewegung, Alkoholkonsum, Vitaminmangel oder das Rauchen. Steht die Diagnose fest, ist es wichtig, den Stoffwechsel zu optimieren, die Vitaminversorgung z.B. durch eine ausgewogene Ernährung zu verbessern, das Rauchen und den Alkoholkonsum zu reduzieren. Selbstverständlich hilft es, spazieren zu gehen und Übungen für die Füße und die Unterschenkel zu machen. Achten Sie aber darauf, dass Sie passende Schuhe tragen. Die Füße sollten Sie zudem täglich auf Veränderungen untersuchen und eincremen, falls Ihre Haut trocken sein sollte.

Ich habe schon viel Schlimmes über das Diabetische Fußsyndrom gehört. Wie gefährlich ist es wirklich und was kann man dagegen tun?

Dr. Helga Zeller-Stefan, Fachärztin für Innere Medizin, Ernährungsmedizin und Diabetologin mit Diabetes-Praxis in Essen: Wenn die Sensibilität in den Füßen – bedingt durch eine Nervenschädigung – nachlässt, bleiben Verletzungen häufig unbemerkt. So können sie sich schmerzlos bis zu tiefen Wunden entwickeln und den Fuß gefährden. Sobald eine Nervenstörung und/oder eine Durchblutungsstörung bekannt sind, sollten Sie Ihre Füße daher täglich kontrollieren. Auch die Schuhe sollten überprüft werden, ob sie Steine oder Fremdkörper enthalten, die die Füße verletzen könnten. Generell müssen Sie auf geeignetes Schuhwerk achten, das nicht drückt. Zusätzlich ist eine regelmäßige Fußpflege äußerst wichtig.

Meine Füße haben sich in den letzten Jahren sehr verändert: Ich habe dicke Schwielen und krumme Zehen bekommen. Außerdem ist die Haut sehr trocken. Kann das alles mit dem Diabetes zusammenhängen?

Dr. Helga Zeller-Stefan: Ja, diese Veränderungen können eine Folge der Nervenstörung bei Diabetes sein. Wichtig ist, dass Sie sehr sorgfältig mit Ihren Füßen umgehen, damit keine Wunden entstehen. Am besten die Füße mit harnstoffhaltigen Pflegemitteln eincremen und regelmäßig zum Podologen (medizinisch geschulter Fußpfleger) gehen. Mit Ihrem Diabetologen sollten Sie über eine Versorgung mit entsprechenden Schuhen sprechen.

Ich bin Diabetiker und mein Hausarzt hat mir nun geraten, in eine Fußambulanz zu gehen. Was passiert dort?

Dr. Helga Zeller-Stefan: Wahrscheinlich sind Ihre Füße durch eine Nervenstörung und/oder Durchblutungsstörung besonders gefährdet. In der Fußambulanz werden diese sehr gründlich untersucht. Wird eine Wunde festgestellt, behandelt man sie dort gleich. Die Schuhversorgung wird ebenfalls begutachtet und gegebenenfalls verbessert. In einer Fußambulanz arbeiten Diabetologen, Wundassistenten und Orthopädie-Schumacher zusammen, um eine kompetente Versorgung gewährleisten zu können.

Die Schmerzen in meinen Füßen, die durch die Nervenschäden entstehen, empfinde ich als unerträglich. Gibt es Medikamente dagegen?

Dr. Helga Zeller-Stefan: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, neuropathische Schmerzen zu behandeln. Insbesondere im Anfangsstadium können gut verträgliche, vitaminähnliche Wirkstoffe zur Linderung beitragen. Diese Behandlung hat gleichzeitig das Ziel, die nerven- und gefäßschädigenden Auswirkungen des erhöhten Blutzuckers zu reduzieren. Wenn die Schmerzen so stark sind, dass sie die Lebensqualität beeinträchtigen, kann der Arzt außerdem verschreibungspflichtige Schmerzmittel verordnen. Dabei wird er zusammen mit Ihnen Nutzen und Risiken abwägen sowie Gegenanzeigen im Blick haben.

Meine Freundin hat mir erzählt, dass von einer Polyneuropathie nicht nur die Füße, sondern auch innere Organe betroffen sein können. Stimmt das?

Dr. Nadine Mattes, Diabetologin, Bürgerhospital Stuttgart: Ja, auch die inneren Organe können betroffen sein. Diese so genannte autonome Neuropathie tritt bei etwa 20 Prozent der Menschen mit einer peripheren Neuropathie (die hauptsächlich Füße oder auch Hände betrifft) auf. Die autonome Neuropathie äußert sich beispielsweise in Erektions- oder Verdauungsstörungen. Auch das Herz kann betroffen sein.

Im Urlaub bin ich über den heißen Sandstrand gelaufen, ohne dass ich viel davon gespürt habe. Meine Frau hat gestaunt und gemeint, das sei nicht normal. Wie denken Sie darüber?

Dr. Nadine Mattes: Da muss ich Ihrer Frau zustimmen, ich empfehle hier in jedem Fall eine Abklärung durch einen Arzt. Das verminderte Gefühl in den Füßen kann zum Beispiel durch eine Nervenerkrankung (Neuropathie) verursacht werden.

Ich habe keine Zeit, zum Arzt zu gehen, deshalb kontrolliere ich meine Füße regelmäßig selbst. Das reicht doch, oder?

Dr. Nadine Mattes: Das ist sehr gut, dass Sie die Füße regelmäßig kontrollieren. Allerdings ersetzt es die ärztliche Untersuchung nicht. Mindestens einmal pro Jahr sollten Sie Ihre Füße auch einem Arzt zeigen.

Der Gedanke, einen Fuß zu verlieren, ist für mich als Diabetikerin ganz furchtbar. Was kann ich tun, um das Diabetische Fußsyndrom zu verhindern?

Dr. Nadine Mattes: Mein Tipp: Hören Sie auf Ihre Füße! Achten Sie auf die regelmäßige Pflege und kontrollieren Sie, ob die Haut auffallend trocken ist. Hornhautschwielen oder Druckstellen sind Warnsignale. Zudem sollten Sie Schuhwerk tragen, das nicht drückt, um Wunden vorzubeugen. Die Grundlage zur Vermeidung von Folgeerkrankungen des Diabetes ist natürlich, den Blutzucker und die anderen Risikofaktoren wie hohen Blutdruck und Blutfette optimal einzustellen.