BERICHT EXPERTENTELEFON „Kopfschmerzen bei Jugendlichen“ am 01.09.2016

Die Veranlagung für Kopfschmerzen oder Migräne kann von Müttern an ihre Töchter vererbt werden. Wie schwer die Beeinträchtigung ist, hängt von der Ausprägung ab. - Foto: djd_michaeljung shutterstock.com
Die Veranlagung für Kopfschmerzen oder Migräne kann von Müttern an ihre Töchter vererbt werden. Wie schwer die Beeinträchtigung ist, hängt von der Ausprägung ab. - Foto: djd_michaeljung shutterstock.com

Eltern können es nur schwer ertragen, wenn ihre heranwachsenden Kinder wiederholt über Kopfschmerzen klagen. Doch in den meisten Fällen wissen sie nicht, wie sie den Jugendlichen helfen sollen. Angehörige und Betroffene beschäftigen viele Fragen. Antworten erhielten unsere Leser am 01.09.2016 von 10 bis 16 Uhr am Telefon.

Am Telefon saßen

Prof. Dr. med. Dr. phil. Stefan Evers, Facharzt für Neurologie, Spezielle Schmerztherapie und Neurologische Intensivmedizin, Chefarzt der Neurologischen Klinik am Krankenhaus Lindenbrunn in Coppenbrügge, Autor der Leitlinie „Therapie idiopathischer Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter“

Dr. med. Astrid Gendolla, Fachärztin für Neurologie, Spezielle Schmerztherapie und Psychotherapie mit einer eigenen Praxis in Essen

Dr. med. Raymund Pothmann, Facharzt für Neuropädiatrie, Spezielle Schmerztherapie und Systemische Psychotherapie sowie Leiter des Zentrums für Integrative Kinderschmerztherapie und Palliativmedizin in Hamburg, Autor der Leitlinie „Therapie idiopathischer Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter“

Mit einer angepassten Lebensweise können Jugendliche Kopfschmerzen dauerhaft vorbeugen

Die Experten sind sich einig: Treten Kopfschmerzen häufiger auf, sollten Eltern mit den betroffenen Jugendlichen möglichst frühzeitig einen Facharzt aufsuchen. Denn der Neurologe kann die Ursache der Schmerzattacken mithilfe einer körperlich-kinderneurologischen Untersuchung und einer ausführlichen Erhebung der Umgebungsbedingungen abklären. „Dabei lassen sich Hinweise für das Verständnis und die Überwindung der Kopfschmerzen gewinnen“, erklärt Dr. Raymund Pothmann. Der Hamburger Facharzt für Neuropädiatrie und Spezielle Schmerztherapie empfiehlt betroffenen Jugendlichen, als Basis jeder Therapie ein Kopfschmerztagebuch zu führen. Auf diese Weise ließen sich individuelle Belastungsfaktoren sowie mögliche Auslöser und Verstärker der Schmerzanfälle ausmachen.

Digitale Auszeit: Handy nachts auf Flugmodus

Mithilfe einer ausführlichen Anamnese kann der Facharzt die Schmerzen besser einordnen und die Betroffenen über angemessene Maßnahmen zur Vorbeugung und Behandlung informieren. Möglicherweise können schon schlichte Änderungen des Lebensstils zu einer Linderung der Beschwerden beitragen. Dr. Astrid Gendolla empfiehlt nicht nur, auf geregelte Schlafzeiten zu achten und ausreichend kalorienarme und zuckerfreie Getränke zu trinken, sondern auch digitale Auszeiten einzuhalten. „Ein Beispiel wäre, das Handy nachts auf Flugmodus zu stellen“, rät die Neurologin aus Essen. Ausreichend Sport und Bewegung an frischer Luft seien gerade für Jugendliche in der Pubertät wichtig. Von Alkohol und Zigaretten sollten Betroffene nach Möglichkeit die Finger lassen, warnt die Spezialistin, die zur Aufklärung ihrer Patienten spezielle Kopfschmerzkurse anbietet.

Entstehung von Kopfschmerz vermeiden

Weder in der Schule noch in der Ausbildung können sich Jugendliche häufige Fehlzeiten aufgrund von Kopfschmerzattacken leisten. Das Bewusstsein, die Schmerzen kontrollieren zu können, ist für sie deshalb von besonderer Bedeutung. So lässt sich möglicherweise verhindern, dass sich im Erwachsenenalter chronische Kopfschmerzen entwickeln. Eines sollte Betroffenen nach den Erfahrungen von Prof. Dr. med. Dr. phil. Stefan Evers jedoch klar sein: „Wiederkehrende Kopfschmerzen, insbesondere Migräne, kann man nicht „heilen“ oder von heute auf morgen abstellen.“ Daher sollten Patienten alles tun, um bereits die Entstehung der Kopfschmerzen zu vermeiden. Regelmäßige Maßnahmen zur Stressbewältigung, Entspannungsübungen oder Ausdauertraining gehörten zu den gängigen Methoden.

Umgang mit Medikamenten lernen

Im akuten Schmerzfall könnten Massagen, Akupressur oder japanisches Heilpflanzenöl zur Linderung beitragen. Nach der Einschätzung des Neurologen aus Coppenbrügge spiele letztlich die rechtzeitige und bestimmungsgemäße Gabe von Schmerzmitteln in einer für Jugendlichen angemessenen Dosierung eine entscheidende Rolle bei der Schmerzbehandlung. Allerdings sollte dabei auf eine gelegentliche Einnahme (nicht häufiger als zehn Tage im Monat und nicht länger als drei Tage hintereinander) geachtet werden. Generell müssten die Jugendlichen lernen, dass Schmerzmittel bei akutem Schmerz sinnvoll sind, aber bei chronischen Schmerzen keine alleinige Lösung darstellten.

Schmerzmittel in der Schule einnehmen

Mit zunehmendem Alter sollte den Jugendlichen die Verantwortung für die Schmerzmitteleinnahme übertragen werden – das gilt vor allem für die Schule. Prof. Dr. med. Dr. phil. Stefan Evers empfiehlt, offen mit der Situation umzugehen und den Klassenlehrer zu informieren. Dann könnten betroffene Schüler die Erlaubnis erhalten, sich kurz zurückzuziehen, um ein geeignetes Akutmedikament einzunehmen: „Die meisten Lehrer und Schüler haben dafür viel Verständnis.“

Weitere Informationsquellen für Interessierte

Tipps für eine angemessene Schmerzbehandlung, die auf die spezifischen Bedürfnisse von Jugendlichen zugeschnitten ist: www.initiative-schmerzlos.de

Hintergründe zur Kopfschmerztherapie auf der Internetseite der deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft: www.dmkg.de

Neuste Forschungsergebnisse und Links zu Selbsthilfegruppen auf der Internetseite der Migräne-Liga e.V.: www.migraeneliga.de