Bericht Ratgeberaktion „Gefäßkrankheiten“ am 11.06.2015

Die interessantesten Leserfragen am Expertentelefon „Gefäßerkrankungen“ am 11.06.2015

Ich plage mich seit Jahren mit Krampfadern, wurde daran auch schon zweimal operiert. Habe ich deshalb auch ein erhöhtes Thromboserisiko, und wenn ja, wie gehe ich am besten damit um?

Professor Dr. med. Rupert Bauersachs, Direktor der Klinik für Gefäßmedizin -Angiologie am Klinikum Darmstadt und Mitglied im Beirat der DGA.: Bei Krampfadern handelt es sich um eine Schwäche der Venenwände mit knotigen Erweiterungen. Als Komplikation können Entzündungen mit Gerinnseln in den oberflächlichen Venen auftreten (Thrombophlebitis). Das Risiko einer tiefen Beinvenenthrombose oder Lungenembolie ist vergleichsweise gering und hängt auch von anderen Faktoren ab. Als generelle Maßnahmen sollten Sie langes Stehen oder Sitzen vermeiden und Kompressionsstrümpfe tragen.

Mir tun bei langem Sitzen oft die Leisten weh. Wenn ich mich bewege, ist der Schmerz aber schnell weg. Kann das ein Hinweis auf Thrombose sein? Sonst liest man ja immer, dass es eher beim Gehen weh tut.

Bauersachs: Leistenschmerzen können viele Ursachen haben, etwa Probleme des Bewegungsapparates, vergrößerte Lymphknoten, Erkrankungen des Beckenbereichs oder der Nerven sowie Gefäßkrankheiten wie eine Thrombose. Insbesondere bei anhaltenden einseitigen Schmerzen, die mit einer Schwellung oder Rötung des Beines einhergehen, sollte man unbedingt an eine Thrombose denken. Häufig sind die Schmerzen dann muskelkaterartig und nehmen bei Bewegung eher zu als ab.

Im Juli 2014 hatte ich eine beidseitige Lungenembolie nach einer Thrombose im Becken. Jetzt sollen demnächst die Medikamente abgesetzt werden, aber ich habe panische Angst, dass die Thrombose dann wieder kommt. Kann ich die Gerinnungshemmer nicht einfach weiternehmen?

Bauersachs: Ob die Blutverdünnung beendet werden kann, hängt von mehreren Faktoren ab: Lag für die Thromboembolie ein Auslöser vor (z.B. Operation, Langstreckenreise), oder ist sie ohne erkennbare Ursache aufgetreten? War es das erste Ereignis dieser Art oder ein wiederholtes Auftreten? Zuletzt müssen individuelle Risiken berücksichtigt werden. Gegen das individuelle Thromboserisiko muss dann die Gefahr einer Blutung bei Fortführung der Therapie abgewogen werden – natürlich in Rücksprache mit dem Arzt.

Was passiert eigentlich genau bei einer Lungenembolie und warum ist sie so gefährlich?

Prof. Dr. med. Tareq Ibrahim, Leitender Oberarzt & Leiter Angiologie, 1. Medizinische Klinik Klinikum Rechts der Isar, Technische Universität München, DGA-Mitglied: Bei einer Lungenembolie gelangen Blutgerinnsel in die Lungengefäße und verstopfen diese. Meist bilden sich solche Gerinnsel als Thrombose in den Becken- oder Beinvenen, wo sie sich lösen können und dann mit dem Blutstrom in die Lunge geschwemmt werden. Dort kommt es zu einer Blockierung von Gefäßen, die für den Sauerstoffaustausch wichtig sind, was Atemnot auslöst. Sind viele Lungengefäße betroffen, kann sich ein sehr hoher Druck aufbauen, der das Herz belastet und ein lebensbedrohliches Kreislaufversagen verursachen kann.

Ich bin alleinerziehend mit noch kleinen Kindern und Vollzeit berufstätig. Regelmäßige Sporttermine sind für mich im Moment einfach nicht drin. Gibt es irgendwelche Übungen, die gut für die Venen sind und die man auch einfach zwischendurch machen kann?

Ibrahim: Es gibt verschiedene Übungen, um die Waden- und Oberschenkelmuskulatur zu aktivieren, die als sogenannte „Muskelpumpe“, das Blut aus den Beinen in Richtung Herz transportiert. Zum Beispiel im Liegen auf dem Rücken oder Bauch die Beine anheben und dabei mit dem Fuß nach oben und unten wippen, oder auch ,Radeln‘. Wippen im Zehenspitzstand sowie kreisende Bewegungen der Füße sind ebenfalls hilfreich. Und auch Dehnübungen der Ober- und Unterschenkelmuskulatur unterstützen die „Muskelpumpe“.

Ich (weiblich, 39) bin eigentlich kerngesund, schlank und treibe Sport. Aber da ich Raucherin bin und über 35, meint mein Frauenarzt, ich solle wegen der Thrombosegefahr die Pille absetzen und anders verhüten. Ist das wirklich notwendig?

Ibrahim: Die Einnahme der Pille ist mit einem erhöhten Auftreten von Thrombosen und Herz- Kreislauf-Erkrankungen vergesellschaftet, wobei die Angaben zur Häufigkeit sich je nach Studie und Präparat stark unterscheiden. Bei gesunden Frauen ist das Thromboserisiko auch mit Pille insgesamt sehr gering. Jenseits der 35 überwiegt aber das Risiko einer Thrombose oder Herz-Kreislauferkrankung deutlich das einer ungewollten Schwangerschaft. Deshalb ist es in Ihrem Fall sinnvoll, alternative Verhütungsmethoden zu erwägen.

Mein Vater ist nach einem längeren Krankenhausaufenthalt an einer Lungenembolie gestorben. Bedeutet das jetzt, dass auch ich ein erhöhtes Risiko habe?

Privatdozent Dr. med. Christoph Kalka, Chefarzt der Abteilung Innere Medizin I – Kardiologie/Angiologie am Marienhospital Brühl sowie Mitglied des Lehrkörpers der Universität Köln; Präsident (1. Vorsitzender) der Deutschen Gefäßliga e. V. und Mitglied im Beirat der DGA: Davon ist nicht auszugehen. Wenn Ihr Vater erst durch einen längeren Krankenhausaufenthalt, wohl auf Grund einer schweren Krankheit, die Lungenembolie erlitten hatte, ist Ihr persönliches Risiko, ebenfalls eine Thrombose zu erleiden, nicht erhöht.

Ich hatte vor 4 Monaten eine schwere Lungenembolie nach einem Langstreckenflug und nehme jetzt die verordneten Pillen, trage Stützstrümpfe etc. Muss ich diese Medikamente jetzt für immer nehmen, und darf ich irgendwann auch mal wieder einen längeren Flug wagen? Ich bin erst 32.

Kalka: Sollte ein klarer Zusammenhang zwischen dem Langstreckenflug und der Lungenembolie bestehen, könnte die blutverdünnende Therapie nach drei Monaten beendet werden. Wichtige Fragen, die es vor einem Absetzen der Pillen zu klären gibt, sind: Wie hoch ist Ihr generelles Risiko für ein erneute Lungenembolie? Wie gut sind Sie mit der Blutverdünnung zurechtgekommen? Sind Sie familiär vorbelastet? Gute Beratung ist bei Ihnen besonders wichtig, auch für die Entscheidung über erneute Flüge.

Warum kommt es eigentlich überhaupt zu einem Blutgerinnsel in den Venen? Gibt es da bestimmte Auslöser und Risikofaktoren, die man kennen sollte?

Kalka: Generell ist die Gefahr eines Gerinnsels in den Venen, in der Fachsprache venöse Thrombose genannt, immer dann besonders hoch, wenn sich Blut in den Beinen staut. Dies betrifft vor allem bettlägerige Patienten oder Menschen mit einem Druck- oder Gipsverband. Weitere Risikofaktoren sind erbliche Blutgerinnungsstörungen, Immobilität, Krankheiten, Krebs, eine Entbindung oder in dem Hormonhaushalt eingreifende Medikamente wie die „Pille“ oder die Hormonersatztherapie in den Wechseljahren. Ältere Menschen, Raucher und Übergewichtige haben ein generell erhöhtes Thromboserisiko.

Mein Hausarzt hat mich letzte Woche wegen des Verdachts auf Lungenembolie ins Krankenhaus geschickt (ich hatte starke Brustschmerzen). Dort haben sie irgendeinen Dimer-Wert (oder so ähnlich) gemessen und gesagt, alles wäre in Ordnung. Was ist das für ein Wert, und kann ich mich jetzt wirklich sicher fühlen?

Prof. Dr. Stavros Konstantinides, Professor für Klinische Studien und Ärztlicher Direktor des multidisziplinären Zentrums für Thrombose und Hämostase (CTH) an der Universitätsmedizin Mainz, DGA-Mitglied: D-Dimere entstehen bei der Spaltung von Gerinnseln im Blut. Ihr Nachweis ist ein deutlicher und extrem empfindlicher Hinweis auf eine Thrombose. Wenn ein D-Dimer-Test negativ ist, kann man in der Regel eine Lungenembolie mit fast 99-prozentiger Sicherheit ausschließen. Aber Vorsicht: KEIN Labortest ist fehlerfrei! Wenn Ihre Beschwerden anhalten oder zunehmen, suchen Sie bitte erneut Ihren Arzt auf und lassen Sie weitere Tests durchführen.

Ich bin im 6. Monat schwanger und arbeite viel sitzend im Büro. Da ich unter schweren Beinen leide, hat mir mein Arzt eine Stützstrumpfhose verordnet. Aber ich komme damit überhaupt nicht klar: Sie kneift, drückt, und ich schwitze fürchterlich. Gibt es keine andere Lösung?

Konstantinides: Falls Sie in der Vergangenheit eine Beinvenenthrombose oder Lungenembolie hatten, sollten Sie den Anweisungen Ihres Arztes unbedingt folgen, denn das Risiko einer erneuten Thrombose steigt deutlich während der Schwangerschaft. Gleiches gilt, wenn Sie andere Risikofaktoren für Thrombosen haben (Ihr Arzt wird sie kennen und Sie darüber informieren). In den anderen Fällen sind regelmäßige kleine Pausen mit Aufstehen und Laufen die beste Medizin!

Mein linkes Bein fühlt sich seit einigen Tagen so schwer an, und es kommt mir auch dicker als das rechte vor. Kann das ein Anzeichen für eine Thrombose sein?

Konstantinides: Das ist möglich, insbesondere wenn Sie Risikofaktoren für eine Thrombose haben, wie Rauchen, Übergewicht, Schwangerschaft, Antibaby-Pille oder andere Hormonpräparate, Operationen oder Bettlägerigkeit, Krebserkrankungen sowie Störungen der Blutgerinnung. Suchen Sie auf jeden Fall Ihren Arzt auf, er wird Ihre Symptome bewerten und ggf. eine Ultraschalluntersuchung der Beinvenen durchführen.